Bericht aus dem Kessel in Leipzig 03.06.

Der Text wurde uns von einer Person aus dem Kessel am 03.06.2023 in Leipzig zugesendet.

CN Polizeigewalt

Am Samstag den 03.06. wollte ich, sowie über 2500 andere Menschen in Leipzig, Solidarität mit den unfair behandelten Antifaschist*innen bekennen, die am Mittwoch zuvor alle verurteilt worden sind. Zu unseren Gunsten konnte an diesem Tag doch noch eine Demonstration angemeldet werden, was uns eigentlich rechtlich absichern sollte. Es begann alles mit einer langen Wartezeit, viel verstand ich nicht was der Lauti durchsagte, außer dass die Anmelder*innen immer noch in der Verhandlung mit der Polizei steckte und das es jeden Moment los gehen könnte. Schon auf dem Hinweg konnte jede*r beobachten, dass in allen möglichen Seitenstraßen und Ecken die Polizeiwägen eingereiht bis zu den Enden der Straßen standen. Kurz nach der letzten Durchsage des Lautis setzte sich ein großer Teil der Versammlung in Bewegung in die nächste Querstraße. Zu dem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, ob es sich um den offiziellen Demobeginn handelte oder nicht. Ich versuchte im Schutz der größeren Masse zu bleiben, damit die Polizist*innen mich nicht einfach rausziehen konnten. Diese Masse befand sich halb auf der Straße, halb auf dem Gehweg, der an einen Park grenzte. Ich konnte nicht viel sehen, außer Bullen die mit erhobenen Knüppeln die Leute in die Enge trieben und Mensch die panisch umher liefen. Die Menge zog sich geschlossen Richtung Park zurück, darunter ich. Es vergehen keine 30 Sekunden bis alle erkennbaren Bullenketten auf die sich zurückziehende Masse los sprinten, in der auch ich stand. Es rückte zudem dann eine Wagenburg an und 10 Wasserwerfer fuhren in der Straße auf. Relativ weit vorne musste ich mit ansehen wie mit unausgeglichener Gewalt diese riesige Masse an Menschen zu einen kleinen Fleck hingeprügelt wurden. Ich konnte sehen wie ein Bulle den Kopf eines Demonstranten im Schwitzkasten hielt und immer wieder mit seinem Knüppel, mit teilweisen Erfolg, auf seinen Kopf einzuschlug. Köpfe generell waren es was die Bullen sich als Ziel für ihre Schläge nahmen. Doch wir wurden so zusammen gequetscht, dass es überhaupt keine Möglichkeit hab sich zurückzuziehen oder Platz dafür zu machen. Natürlich konnten die Leute hinten nicht mehr weitergehen, weil wir schon von allen Seiten umzingelt waren. Da die Bullen aber auf der Straßenseite weiter prügelten, wurden wir alle so sehr gequetscht, dass es schwierig war noch richtig Luft zu bekommen und auch die Platzangst in einigen hochkam. Nach der zweiten Tracht Prügel hab ich schon direkt 4 Verletzte gesehen, die direkt vor der Bullenkette, also im Kessel, behandelt werden mussten. Trotz der häufigen Nachfragen und Diskussionen von den Sanitäter*innen mussten diese verletzen Personen mind. 20-30 Minuten im Kessel ausharren. In dieser ganzen Zeit, wurden nur kurz die Journos vom WDR reingelassen, danach gab es keine Sichtungen mehr von außer staatliche Instanzen, die davon berichten konnten was wirklich im Kessel passierte. Es dauerte etwas bis ich mir bewusst war, dass gerade 400-500 Menschen eingekesselt worden sind und erst nach der Durchsage der Polizei war mir auch klar warum: Alle diese Hunderte Menschen und ich, welche einfach nur zur angemeldeten Demo gehen wollten, werden der schweren Körperverletzung und Landsfriedensbruch beschuldigt. Anfangs weiß niemand, dass uns der längste Kessel seit 1986 bevorsteht. Nach ca. 2 Stunden stieg immer mehr unsere Erschöpfung, doch es gab nicht mal genügend Platz für alle um sich hinzusetzen! Nach mehreren Stunden waren wir kein bereiter Block mehr, auch wenn zwischen durch immer mal wieder Parolen aufkamen. Alle versuchten sich abzulenken, sich Kraft zu spenden oder mit der Polizei zu diskutieren. Denn die Bullen haben natürlich nicht, wie es rechtlich abgesichert ist, nach drei Stunden Kessel uns Zugang zu Toiletten verschafft. Nein hunderte Menschen haben sich zwei kleine Büsche geteilt um zu pinkeln oder den Tampon/Binde zu wechseln! Doch nicht nicht diese menschlichen Bedürfnisse wurden ignoriert: Wasser und Essen wurden ausschließlich von dem freiwilligen Santitäter*innen-Netzwerk gestellt. Nicht von der staatlichen Exekutive, von genau dem Staat, der mir die Versorgung von meinen Grundbedürfnissen zu sichern muss! Die Polizei übte nicht bloß unangebrachte Gewalt an als wir schon im Kessel waren, viele wurden auch einfach persönlich auf dem untersten Niveau von den Bullen beleidigt oder angegangen. Nach etwa 6 Stunden, wo ein Kessel eigentlich aufgelöst werden muss, nagte die Gefangenschaft, die Enge, der Hunger, die Kälte und die Müdigkeit an mir und den Leuten um mir herum. Natürlich standen wir auch unterständiger Beobachtung und wurden wirklich die ganze Zeit gefilmt! Wir waren komplett abgeschottet von jeglicher Außenwelt weit und breit nur bepanzerte vermummte Einheiten. Nicht zu vergessen, dass sehr viele Minderjährige mit im Kessel waren und keine Kontaktmöglichkeiten hatten mit ihren Erziehungsberechtigten zu kommunizieren bis spät in die Nacht! Als es dunkel wurde, haben sie ca. 5 extrem helle Flutlichter aufgestellt, die uns daran hindern sollten uns auszuruhen. Es war so dystopisch, die Menschen lagen alle unter Wärmedecken, die auch irgendwann ausgingen, zusammen gequetscht auf dem bloßen Boden und versuchten irgendwie Schlaf oder Ruhe zu finden.  Es sprach sich schnell rum, dass damit angefangen wird Leute rauszulassen die ihren Personaldaten abgeben und einen kleinen ID-Check, der ein Foto beinhaltet. Dies fing aber erst in einem zügigen Tempo an als es schon 0:30-1.0 Uhr war, also nach sieben Stunden Kessel. Zwischendurch wurden aber immer wieder Leute brutal und gewaltvoll rausgezogen und inhaftiert. Die Leute, die sich freiwillig festnahmen lassen haben, worden mit Schmerzgriffen zum Ort der Personalienaufnahme gebracht. Die Vorwürfe, die jede Person bei der Gewahrsamnahme bekam, waren sehr willkürlich gewählt und stark von dem*der Beamt*in abhängig, welche*r zugeteilt war. Auch hier hat die Polizei wieder unangebrachte und persönliche Kommentare gegenüber den Teilnehmenden geäußert und ganz deutlich durch Übergriffigkeit ihre Machtverhältnisse ausgenutzt. Der Rest, welcher dort blieb, wurde gewaltvoll und mit Folter, wie einem Sack über dem Kopf, von den Bullen weggetragen und in Gewahrsam genommen. Es ist unfassbar wie 500 Menschen, die zu einer angemeldeten Demonstration gehen wollten nun alle mit einer Anzeige von schwerer Körperverletzung und Landesfriedensbruch rechnen können und 9 Menschen bereits in U-Haft sitzen. Unsere Grundrechte wurden für 11 Stunden einfach abgeschafft und wir wurden alle Opfer menschenfeindlicher Gewalt, die vom Staat persönlich ausgeführt wurde. Ich habe hier meine Erfahrungen geteilt, weil die Medien und großteilig unausgeglichen berichten und ich will, dass alle wissen was sie uns  wirklich angetan haben!